Die Tragödie vom März 1918 in Baku

Die Tragödie vom März 1918 in Baku

10. апреля 2016 1 Автор Asif Masimov
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Ibrahim Mirzayev

PhD Student an der Humbold-Universität zu Berlin

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Vorgeschichte

Die russische Eroberung des südlichen Kaukasus am Anfang des XIX. Jahrhunderts sollte die Entwicklung dieser Region und ihr Bevölkerung entscheidend prägen. Nach siegreichen Kriegen gegen das Osmanische Reich und den Iran konnte sich das Zarenreich im Kaukasus behaupten. Die zaristische Herrschaft hatte ganz andere Natur als die Herrschaft der großen Imperien, die das Kaukasus früher erobert haben, wie z.B. das Osmanische Reich oder der Iran. Die Präsenz dieser großen Imperien im Kaukasus beschränkte sich auf die Erhebung der Steuer, Aufrechterhaltung der Ordnung in großen Städten und Schutz vor den Angriffen aus dem Ausland. Sonst waren die lokalen Bevölkerung und die lokalen Herrscher sich selbst überlassen. Der ethnische Faktor spielte damals sehr bescheidene Rolle. Viel wichtiger für die Identität der Bevölkerung waren die Religion und der soziale Status. Unter Herrschaft des lokalen Fürsten lebten sowohl Muslime als auch Christen, der Fürst selbst konnte jeweils Christ oder Muslim sein, das hat die Beziehung zu seinen Untertanen wenig beeinflusst.

Nach der russischen Eroberung waren die lokalen Fürsten entmachtet und die Verwaltung lag jetzt in den Händen der russischen Administration und dem Zentrum im Petersburg unterstellt. Jetzt steht der ethnische Faktor in Vordergrund. Wir sollten hier den Aufstieg des ethnischen und nationalen Gedankens sehr kurz darstellen, damit die tragischen Ereignisse vom März 1918 verstädnlicher werden. Schon von Anfang an hat die zarische Administration bei der Durchführung ihrer Politik im Kaukasus auf die Unterschiede und Wiedersprüche unter einzelnen Gruppen gesetzt. Sie betrachtete die Bevölkerung nach dem ethnischen Prinzip und forderte auch die Herausbildung der nationalen Identität, unter anderem, um die Verwaltung zu erleichtern. Jedoch man sollte den Einfluss der russischen Macht nicht überschätzen. Es waren die Auseinandersezungen der armenischen, aserbaidschanischen und georgischen Intellektuellen mit dem europäischen Gedankengut, die dazu führten, dass die nationale und nicht die religiöse oder soziale Zugehörigkeit, die Selbstidentifizierung der Personen jetzt bestimmten. Es entwickelte sich auch die Idee von einer nationalen Autonomie im Rahmen des russischen Reiches (manche Intellektuelle haben sogar von der Unabhängigkeit vom Zarenreich gesprochen). Diese Idee erwies sich als sehr gefährlich, denn in einer Region, wo unterschiedliche Völker und Religionen jahrhundertelang auf gleichem Territorium wohnten, sollte sie zu Konflikten führen. Die ersten politischen Parteien, die Autonomie bzw. Unabhängigkeit anstrebten, waren die armenischen „Daschnakzütün“ und „Gntschak“, beide wurden am Ende des XX. Jahrhunderts gegründet. Beide Parteien wollten einen armenischen Staat gründen. Besonders wichtig ist dabei „Daschnakzütün“, die bei der Verwirklichung ihrer Ziele unter anderem auch auf die Gewalt setzte.

Die Situation nach der Februarrevolution 1917

Nach dem Zusammenbruch des Ersten Weltkrieges wollte das Zarenreich Armenier im Kampf gegen das Osmanische Reich instrumentalisieren. Den Armeniern wurde eine nationale Autonomie unter russischen Herrschaft in den östlichen Provinzen des Osmanischen Reiches versprochen. Viele Armenier wurden in die russische Kaukasische Armee einberufen, es wurden auch die nationalen armenischen Einheiten geschafft. Somit hatten die Armenier eine bedeutende militärische Macht. Jedoch nach der Februarrevolution brach das russische Kaukasische Front zusammen und es begann der Rückzug von militärischen Einheiten. Bis 1918 wurden sie nach Baku abtransportier, das damals die wichtigste Verkehrsknotenpunkt vom ganzen Kaukasus war. Die Konzentration der bewaffneten armenischen Truppen war erster Schritt, der zu der Tragödie vom März 1918 führte.

Die damalige politische Lage im südlichen Kaukasus war sehr prekär. Nach der Revolution versuchten zunächst die drei größten Nationen vom Südkaukasus – Aserbaidschaner, Armenier und Georgier, eine gemeinsame Föderation zu gründen. Jedoch bis Mai 1918 scheiterten alle versuche einen gemeinsamen Staat zu bilden, deswegen entschied man sich für die nationale Staatlichkeit. Am 28. Mai 1918 erklärte Aserbaidschan seine Unabhängigkeit (das gleiche haben die Georgier zwei Tage zuvor und die Armenier am selben Tag gemacht). Die Partei „Musawat“ war die stärkste politischen Kraft im neuen Staat, sie hat zuvor die meisten Stimmen von Aserbaidschanern bei den Wahlen in das Parlament der Kaukasischen Föderation bekommen. Die Hauptstadt sollte das größte Stadt des neuen Landes Baku sein. Jedoch Baku befand sich zur damaligen Zeit in den Händen von anderen politischen Kräften. Wegen des Erdölbooms lebten in Baku viele andere Nationalitäten. Außerdem war Baku einer der Zentren der Revolution, deswegen entstanden hier die basisdemokratischen Organisationen, die als Sowjets bekannt sind, und nahmen die Macht in ihre Hände. Der Vorsitzende des lokalen Sowjets war Stepan Schaumjan, ein Bolschewik. Die Bolschewiki gehörten zu den radikalsten Parteien des damaligen russischen Imperiums und wollten die ganze Macht an sich reißen. Der größte Erdölzentrum des russischen Reiches Baku wurde dadurch für die Bolschewiki unerläßlich. Aber nach den ersten Wahlen zu den Sowjets bekam die aserbaidschanische Partei „Musawat“ 40% der Stimmen und somit die Mehrheit. Die Bolschewiki und „Musawat“ konnten einige Zeit friedlich zusammenleben. Jedoch als Aserbaidschan im Mai 1918 unabhängig wurde und Baku zur Hauptstadt erklärte, bereiteten sich die Bolschewiki auf den Kampf für Baku. Die legitimen Forderungen der „Musawat“ Macht zu übergeben ignorierten die Bolschewiki.

Am Vorabend der Massaker vom März 1918

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Die Bolschewiki suchten nach den Verbündeten um die Macht über die Stadt zu behalten. Diesen Verbündeten, die man eher als Komplize bezeichnen kann, haben sie im Armenischen Nationalrat gefunden, wo alle armenische Organisationen und Armenier vertreten waren. Damals machten die Armenier fast Viertel der Bevölkerung von Baku aus. Außerdem, wie erwähnt wurde, waren in der Stadt viele armenische Truppen präsent. Die oben schon erwähnte politische Partei „Daschnakzütün“ agitierte sie, die Waffen nicht anzulegen und jederzeit für den Kampf bereit sein. Die Gründe, warum der Armenische Nationalrat und „Daschnakzütün“ die Bolschewiki unterstüzt haben, waren vielfältig. Zunächst waren die Armenier, besonders diejenigen, die in der russischen Armee gekämpft haben, wegen des Scheiterns ihrer Wünsche nach einem Nationalautonomie bzw. –staat sehr frustriert. Die wehrlose aserbaidschanische Bevölkerung von Baku sollten jetzt Opfer dieser Frustration sein. Sie waren ein gutes Ziel für Rache für die unrefüllten Nationalphantasien. Außerdem war Baku an sich sehr wertvoll und konnte später zu den neuen armenischen Staat angegliedert oder gegen die anderen aserbaidschanischen Gebiete ausgetauscht werden. Hinzu kommt, dass die Armenier keinen Unterschied zwischen Aserbaidschanern und Türken machten. Deswegen übertrugen sie ihren Hass gegenüber Türken auf die Aserbaidschaner.

Zur gleichen Zeit wurde die politische Lage in der Stadt immer komplizierter. Bolschewiki lehnten die Forderung nach der Machtübergabe ab und gründeten eine „Rote Garde“, die aus zehntausend Soldaten bestand, davon fast 70% Armenier. Die Kommando der „Roten Garde“ bestand auch aus den Armeniern und Mitgliedern der armenischen Partei „Daschnakzütün“. Gleichzeitig begannen sie die geheime Verhandlungen mit Armenischen Nationalrat. Zuvor hat sich der Rat in der Auseinandersetzungen zwischen „Musawat“ und Bolschewiki für neutral erklärt, jedoch änderte seine Meinung, ohne die Aserbaidschaner darüber zu informieren. Auch die bewaffneten Gruppen von „Daschnakzütün“ erklärten ihre Bereitschaft, Bolschewiki zu unterstützen.

Die Lage in Baku im März 1918 war kurz vor der Eskalation. Die aserbaidschanische Bevölkerung sah, dass die Forderungen von „Musawat“ nicht erfüllt werden, und begann dagegen zu protestieren. Anderes Grund für Sorge war Präsenz der bewaffneten Truppen in Baku, mehrheitlich armenischen. Die Aserbaidschaner fürchteten, dass diese ihre Waffen gegen sie richten könnten. Im Zarenreich durften nicht die Muslime in der Armee dienen. Es gab nur einige freiwillige Verbände, die zahlenmäßig unbedeutend waren und für den Schutz der Bevölkerung nicht ausreichten. Als am 30. März die Offiziere dieser Verbände auf Befehl von Bolschewiki festgenommen wurden, kam es zu spontanen und massenhaften Protesten der aserbaidschanischen Bevölkerung. Die Bolschewiki nutzen diese Proteste als Vorwand für die Niederschlagung von „Musawat“. Die Bolschewiki forderten von „Musawat“ ihre Macht zu akzeptieren und alle politischen Aktivitäten einzustellen. Um die Opfer zu vermeiden hat „Musawat“ diese Forderungen akzeptiert. Im letzten Moment haben die armenischen Organisationen die Bolschewiki unterstüzt und es kam zu einer richtigen Blutbad gegen die aserbaidschanische Bevölkerung.

Die Ereignisse des 31. März 1918

Das eigentliche Ziel der Bolschewiki unter Schaumjan war die Neutralisierung des „Musawats“. Sie haben mit den Opfern gerechnet, jedoch sie wollten nicht, dass es zu Massenmörden kommt. Erst durch die Enmischung der armenischen Truppen wurde die politische Auseinandersetzung zu einer ethnischen Säuberung. Am ersten Tag haben die armenischen Verbände die Redaktionen aller wichtigsten aserbaidschanischen Zeitungen und die Sitze der aserbaidschanischen Parteien zerstört. Danach wurden die aserbaidschanischen Einwohner der Stadt angegriffen. Die Einwohner versuchten ihre Viertel zu verteidigen und errichteten Barrikaden. Jedoch sie konnten nichts gegen die gut bewaffnete und organisierte armenische Truppen entgegensetzen. Am Ende des Tages wandten sich die Vertreter der aserbaidschanischen Bevölkerung an die Bolschewiki mit dem Apell, den Massaker zu beenden. Jedoch die Bolschewiki hatten keine Kontrolle über die armenische Verbände. Die aserbaischanischen Viertel wurden angegriffen, die Bevölkerung da schonungslos umgebracht. Außerdem haben die armenische Soldaten die einfachen Leute auf der Straßen ermordet und beraubt. Auch die umliegenden Dörfer, die von den Aserbaidschanern bewohnt waren, wurden von Armeniern nicht verschont. Die Massaker dauerte fast vier Tage und alle Forderungen der Bolschewiki sie einzustellen wurden ignoriert. Erst die Einmischung der zwei Regimenten und der Kaspischen Flotte, die aus Russen bestanden, führte zur Beendung des Massakers. Sie drohten, dass wenn die armenische Verbände die Massenmorde nicht einstellen werden, würden die russischen Einheiten eingreifen. Trotzdem dauerte es noch drei Tage bis die vereinzelte Plünderungen und Morde beendet wurden.

Das Bild der Stadt nach dem Massaker sah schrecklich aus. Die aserbaidschanischen Viertel standen leer und zerstört. Bis zur Befreiung vom Baku im September 1918 war die Bevölkerung dem Terror der armenischen Truppen ausgesetzt. Die Sonderuntersuchungskommission, die nach der Befreiung von Baku berufen wurde, um die Ereignisse vom März 1918 aufzuklären und die Täter vor Gericht zu bringen, hat zwölftausen Opfer gezählt, darunter auch viele Frauen und Kinder. Wie die Komission festgestellt hat, wurden viele Opfer vor der Ermordung auch gefoltert. Wie schon oben gesagt wurde, war der Hauptmotiv der Mörder der Hass gegenüber Aserbaidschaner. Es gab auch merkantile Motive, die die Täter zu den Morden bewegten. Die wehrlose aserbaidschanische Bevölkerung wurde von den armenischen Truppen ausgeraubt.

Die Ereignisse von Baku zeichneten den Anfang der mehrmonatigen Terrorherrschaft. Die unheilige Allianz der Bolschewiki und armenischen Truppen führte noch zu mehr Morden und Plünderungen. In der Sowjetzeit wurden diese Verbrechen von der Bevölkerung verheimlicht. Erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion konnten die Aserbaidschaner die Wahrheit über damalige Tragödie erfahren. Jedes Jahr am 31. März erinnert man in Aserbaidschan an den unschuldigen Opfer der Massaker.


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