Geteiltes Aserbaidschan: Blick auf ein bedrohtes Volk

Geteiltes Aserbaidschan: Blick auf ein bedrohtes Volk

21. марта 2019 1 Автор Prof. h.c. Ahmad Omid Yazdani
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Prof. h.c. Ahmad Omid Yazdani - Politolog

Entnommen aus :  „Geteiltes Aserbaidschan“ Blick auf ein bedrohtes Volk; Ahmad Omid Yazdani; Verlag:  Das Arab. Buch, 1993 , ISBN 3- 86093-0 Berlin Assimilation und Kulturkolonialismus (Seite 32-41)

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 Assimilations- und ethnische Selbstentfremdungspolitik in den nichtpersischen Provinzen war während der Pahlawi–Dynastie (1924-1979) die ungeschriebene, aber deutlich erkennbare Absicht der Teheraner Zentralregierung. Dies wurde nicht nur in Aserbaidschan bei der einheimischen Bevölkerung durch Verbot der Sprache und Leugnung der nationalen Zugehörigkeit praktiziert, sondern auch bei Millionen aserbaidschanischer Auswanderer, die in persischen Städten lebten. Im Gegensatz zu der ersten Generation von nach persischen Gebieten eingewanderten Aserbaidschanern, die noch ihre Muttersprache sprach, verlor die zweifle Generation mit wenigen Ausnahmen jegliches Zugehörigkeitsgefühl zu ihrem Volk. Die Gründe für die rasche Aufgabe der ursprünglichen Identität sind in erster Linie das Fehlen eines aserbaidschanischen Schulsystems und die allumfassende Stigmatisierung der Aserbaidschaner. Die Propagandisten der Assimilationspolitik versuchten ihre Vorgehensweise gegenüber den Aserbaidschanern vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion damit zu begründen, dass «im Falle der Zulassung der aserbaidschanischen Sprache sich das iranische Aserbaidschan vom Iran trennen und an das kommunistische Nordaserbaidschan anschließen könnte.» Gegenwärtig schmücken diese Kreise ihre chauvinistische Politik noch mit zusätzlichen Argumenten aus. Es heißt jetzt: «Im Falle der Zulassung von mehreren Sprachen im Iran würde die nationale Einheit Irans geschwächt werden.» In verschiedenen Publikationen wird auch die alte rassistisch gefärbte Argumentation wiederholt: «Die türkische Sprache sei keine ursprüngliche Sprache der Aserbaidschaner. Sie sei im 10. bzw. im 14. Jahrhundert durch die «Ansiedlung von kulturlosen, blutrünstigen, türkisch sprechenden tatarischen Stämmen in Aserbaidschan der in dieser Region persisch sprechenden Bevölkerung aufgezwungen worden»! [16]Mit diesen haltlosen Argumenten sind Aserbaidschaner seit langer Zeit den schlimmsten Diskriminierungen ausgesetzt. Assimilation, Analphabetentum in der Muttersprache, Zerstörung der aserbaidschanischen Kultur sind die Folgen der Ethnozidpolitik dieser Kreise und der Teheraner Regierung. In der zweiten Hälfte der sechziger und Anfang der siebziger Jahre hatte die antiaserbaidschanische Stimmung innerhalb Irans dermaßen zugenommen, daß z.B. der Besitz eines in aserbaidschanisch geschriebenen Buches oder einer Kassette mit aserbaidschanischer Musik als Beweismittel für separatistische Absichten galten. Auf Grund dessen wurden aserbaidschanische Bücher und Kassetten im Untergrund gehandelt. Während ein Aserbaidschaner sich bei der Benutzung der persischen Sprache wegen seines Akzents schämen müsste, galt es als modern, die persische Sprache mit amerikanischem Akzent zu sprechen. Für Millionen aserbaidschanischer Einwanderer wurde kein einziges Radio- oder Fernsehprogramm in ihrer eigenen Sprache ausgestrahlt. Gleichzeitig aber besaßen einige tausend Angehörige des amerikanischen Militärs in Teheran einen eigenen Fernsehkanal. [17] Um ihre «schändliche» nationale Identität zu leugnen, griffen die unter dem Druck der Stigmatisierung und eines Assimilationsprozesses stehenden Aserbaidschaner zu manchmal seltsam anmutenden Methoden. Innerhalb der Familie galten Familienangehörige mit aserbaidschanischem Akzent als Störfaktor. Zum Besuch befreundeter persischer Familien wurden sie nicht mitgenommen. Erfolgte ein Gegenbesuch, wurden die mit einem Akzent sprechender Familienmitglieder versteckt. Um einen türkischen Akzent bei den Kindern zu vermeiden, wurde ihr Kontakt zu den Großeltern verringert. [18] In der Regel war es für einen persischen Mann oder eine persische Frau schwierig, in eine aserbaidschanische Familie einzuheiraten. Die aserbaidschanische Familie musste auf jeden Fall in materieller aber auch sozialer Hinsicht höher stehen als die persische Familie. Bei Ehen zwischen Aserbaidschanern und Persern wurde in der Regel für die Kinder die persische Sprache gewählt. Im Falle eines Familienstreits wies der persische Teil der Familie den aserbaidschanischen Teil auf seine «türkische Herkunft» hin. Der Begriff «Eseltürken» wurde bei jeder Auseinandersetzung zwischen Aserbaidschanern und Persern gebraucht. Menschenverachtende Witzkassetten, in denen die Aserbaidschaner als «dumm», «naiv» und «Esel» bezeichnet wurden, waren auf den Straßen Teherans im Umlauf. Hatte ein Aserbaidschaner bei den Behörden einen Gang anzutreten, wurde er dort wegen seines Akzents als Spaßobjekt des Tages behandelt. Er wurde absichtlich hin und her geschickt, damit die anderen Arbeitskollegen auch ihren Spaß haben sollten. In diesen Jahren hatte der größte iranische Dichter der Gegenwart, Mohammad Hussein Schahriar, der ein Aserbaidschaner war und in persisch und später auch in aserbaidschanisch dichtete, als Anklage gegen diese Vorurteile und Beleidigungen sein berühmtes Stück «Oh Teheraner, laß dein Gewissen sprechen, bist du ein Esel oder ich?» verfasst. [19] Die immer wieder durchgeführte neue Aufteilung Irans verstärkte noch zusätzlich den Assimilationsprozeß. So wurden durch mehrere administrative Aufgliederungen wichtige aserbaidschanische Städte wie Hamadan, Ghazwin, Zandjan, Astara und Anzali von Aserbaidschan getrennt und ihre Einwohner einer starken Perserfizierung ausgesetzt. [20]Ein verheerendes Ergebnis dieses Sprach- und Kulturverbots ist die Tatsache, dass 90 Prozent der Aserbaidschaner in ihrer eigenen Muttersprache Analphabeten sind. Selbst Intellektuelle sind nicht imstande, z.B. an ihre Eltern oder Geschwister einen Brief in aserbaidschanisch zu schreiben oder aber eine Zeile in einem aserbaidschanischem Buch zu lesen. Es wäre bestimmt falsch, die Schuld an der Verelendung der aserbaidschanischen Kultur und Sprache allein den persischen chauvinistischen Kreisen und der Zentralregierung zuzuschreiben. Denn hierbei war eine große Anzahl von aserbaidschanischen Intellektuellen und Regierungsmitgliedern entweder selbst mitwirkend oder aber sie verhielten sich gleichgültig. Die aserbaidschanischen Intellektuellen teilten sich in vier Gruppen auf.1 – Die Gruppe, die die Assimilationspolitik bejahte und vielfach sogar bei der Assimilierung der Aserbaidschaner mitwirkte. Die Mitglieder dieser Gruppe gehörten in der Regel zur Mittelschicht und waren Regierungsbeamte und Angestellte des Öffentlichen Dienstes. Die meisten dieser Intellektuellen hatten infolge der andauernden Stigmatisierungspolitik in Bezug auf ihre nationale Zugehörigkeit Minderwertigkeitskomplexe. Sie versuchten ihre ursprüngliche aserbaidschanische Herkunft mit allen Mitteln zu verheimlichen.2 – Diejenigen, die den linken Organisationen angehörten und als Ziel die Errichtung eines sozialistischen Systems im Auge hatten. Für sie war eine Lösung der nationalen Frage erst nach der Errichtung des Sozialismus im Iran möglich. Sie waren verbal gegen nationale Unterdrückung und Assimilation. Sie brandmarkten aber auch sehr schnell diejenigen, die mit Beharrlichkeit auf ihre nationale Identität verwiesen. Die meisten dieser „Intellektuellen“ waren und sind in Bezug auf Sprache, Literatur und Geschichte ihres eigenen Volkes Analphabeten und ungebildet .3 – Die Gruppe, die religiös motiviert war und als solche die Idee eines Gottesstaates unterstützte. Für diese Gruppe waren alle Moslems Brüder. Sie hatte im Grunde nichts dagegen, wenn verschiedene Volksgruppen Irans ihre Muttersprache benutzten. Aber erst sollte der Gottesstaat errichtet werden, und später, d.h. nach dem Erlernen der Sprache des Korans, nämlich Arabisch, und auch der offiziellen Sprache des Irans, also Persisch, könnte man sich in begrenzter Maße der Muttersprache zuwenden. 4 – Die Gruppe, die unter schlimmsten Repressalien die Befreiung ihres Volkes von den Machenschaften der persischen Zentrale forderte. Zu dieser Gruppe gehörten einige namhafte südaserbaidschanische Dichter, Historiker, Sprachwissenschaftler, Literaten und Musiker wie Modjez, Habib Saher, Sahand, Schahriar, Samad Behrengi, Yahya Scheida, Tagi Zehtabi, Farzaneh, Ali Täbrizi, Netgi, Pir Haschemi, Heijat, Sardar Nia, Barez, Zeiveh, Sarah, Wartusch , Salimi, Djavid, Fathi, Latif Tahmasebi und viele andere. Einige von ihnen gerieten wegen ihres Widerstands mehrmals ins Gefängnis. Sie hatten Schreibverbot und wurden unter Beobachtung gestellt. Ihre Musik durfte nicht in der Öffentlichkeit aufgeführt werden. Trotz dieser Repressalien schrieben sie weiterhin in aserbaidschanischem Türkisch und ließen ihre Werke unter großen Schwierigkeiten im Untergrund drucken. Auch wurde weiterhin aserbaidschanische Musik im Untergrund zur Aufführung gebracht. Nach der Revolution im Jahre 1979 und dem Sturz des Schahregimes begann im Iran der nur kurz andauernde «Frühling der Freiheit». Während dieser Periode erschienen Hunderte von Büchern, Schriften und Zeitungen auf aserbaidschanisch. Die Geschäfte gaben sich türkische Namen. In den Teehäusern sangen die «Aschigs», Volksmusikanten, in aserbaidschanisch. Es wurden private Sprachkurse zum Erlernen der aserbaidschanischen Sprache gegründet. Die Grabsteine wurden auf aserbaidschanisch beschrieben.Nach der Festigung der Macht des Klerus begannen jedoch neben dem Verbot der politischen Freiheiten wieder einmal die kulturellen Repressalien gegen Aserbaidschan. In Täbriz wurden historische Kulturstätten wie das «Nationale Theater», die «Nationale Bibliothek» und schließlich ein Teil der in der Mongolenzeit erbauten «Ark-Zitadelle» niedergerissen. An die Stelle dieser Kulturstätten wurde ein «Gebetsplatz» (Mossal-la) gebaut, wo die Menschen ihre Freitagsgebete abhalten können. Die Hoffnungen von Millionen Aserbaidschanern auf Autonomie und Anerkennung ihrer Muttersprache als offizielle Sprache Aserbaidschans hatten sich als trügerisch erwiesen. Viele Bücher und Zeitschriften wurden verboten. In den Teehäusern durften die «Aschigs» nicht mehr singen und spielen. Die von Teheran nach Aserbaidschan ausgesandten persischen Lehrer versuchten, die verhaßten Strafdosen wieder einzurichten und in den Schulen sich auf türkisch unterhaltende Kinder zu bestrafen. Die im Jahre 1987 in Täbriz erscheinende Zeitung «Fourugeh Azadi» nannte in diesem Zusammenhang einen Fall und schrieb dazu: «Wir haben die Nachricht erhalten, daß im Wohnbezirk Djamischawan in der Schule M. Tagi Djafar ein Lehrer namens «M… » den türkisch sprechenden Kindern Strafen auferlegt. Dieser Herr hat anscheinend nicht akzeptiert, daß in diesem Lande eine Revolution stattgefunden hat und die Verbote der Schahzeiten bei uns nicht mehr wirksam sind…»…

Es gibt heute im Iran entgegen Artikel 15 des Grundgesetzes der Islamischen Republik Irans, der den verschiedenen Volksgruppen das Recht gibt, nicht nur auf persisch, sondern auch in ihrer eigenen Sprache unterrichtet zu werden, für mehr als 25 Millionen Aserbaidschaner keinerlei Möglichkeit, ihre Kultur und Sprache zu entfalten. Die Kinder müssen in den Schulen ausschließlich die persische Sprache erlernen. Selbst die Benennung der neugeborenen Kinder mit aserbaidschanischen Namen ist untersagt. Man kann sagen, daß sich der Klerus hartnäckig gegen die Vielfalt der Nationen und Kulturen im Iran zur Wehr setzt. Für ihn sind alle Bürger Irans «Ommete Islami», Anhänger des Islams, und nicht Aserbaidschaner, Turkmenen, Belutschen, Kurden…Auf die Frage eines kurdischen Lesers an die Zeitung «Keyhane Hawaie» nach der Möglichkeit einer Veröffentlichung einiger ihrer Texte auch in kurdischer Sprache wurde folgendermaßen geantwortet: «Der Grund, warum wir einige Texte auf türkisch veröffentlichen, basiert auf der Tatsache, daß die gegenwärtige Umgestaltung im Ostblock, insbesondere im sowjetischen Aserbaidschan, von weltpolitischer Bedeutung ist und eine Auswirkung auf das iranische Aserbaidschan hat. Die Bevölkerung im sowjetischen Aserbaidschan besteht aus Moslems, die dazu noch überwiegend Schiiten sind und ein intensives Interesse am Iran und an der islamischen Revolution haben… Es ist notwendig darauf hinzuweisen, daß wir mit der Herausgabe einiger Seiten in aserbaidschanisch gewährleisten wollen, daß die Bevölkerung im sowjetischen Aserbaidschan die Botschaft des Islams und der iranischen Revolution verstehen kann. Dies alles ist nicht für das iranische Aserbaidschan gedacht. Denn wir können mit unseren Menschen auch persisch sprechen, und deswegen können wir in dieser Hinsicht keine Benachteiligung der Kurden oder anderer Volksgruppen im Iran erkennen.» [22] In den letzten Jahren erlebt man bei den im Ausland lebenden Aserbaidschanern ein enorme Zunahme des Interesses an ihrer Muttersprache und ihrer eigenen Literatur. Es sind mehrere aserbaidschanische Kulturorganisationen in Deutschland, Frankreich, Holland, den USA, England, Spanien, Schweden, Kanada… gegründet worden. Es erscheinen einige Zeitschriften wie «Azer», «Aydinlig», «Ayna», «Ana Dili», «Sawalan», «Ghaynardja», «Dirilik», in denen neben der Verbreitung der aserbaidschanischen Literatur die Problematik Aserbaidschans in regelmäßigen Beiträgen diskutiert wird.

16- Adäbiyyate Farsi, Izadi, Sirus. Berlin 1992, S. 16-18

17- Azerang, Bahram, Shuvunisme Fars vä meseleye milli ( Der persische Chauvinismus und die nationale Frage) Zeitschrift Azer, Nr. 1. S. 4. 1990

18- Najadparasti ve Hobietzodaie der Iran ( Rassismus und Assimilation in Iran) Berlin 1991 S. 18

19- Shahriyar, Mohammad Hossein. Kolliat Ashar (Gesamtwerk), „ela Tehraniya insaf mikon kher toi ya man“ Täbriz 1964

20-21 Die junste Aufteilung aserbaidschans erfolgte im Okt. 1992. Danach wurde die Stadt Ardebil von Aserbaidschan getrennt und als Hauptstadt der Provinz Sabalan proklamiert. Siehe: Keyhane Hawaie: Tehran Sep. 1992, Nr. 100

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22- Keyhane Hawaie, Nr. 917, 1990, Teheran

Aserbaidschaner im Iran

Wir haben im Iran über 30 Millionen Aserbaidschaner, die zusätzlich zur allgemeinen politischen Unterdrückung einer kulturell-wirtschaftlichen Unterdrückung unterliegen. Über 30 Millionen Aserbaidschaner, die keine Möglichkeit haben in öffentlichen Schulen ihren Kindern die Muttersprache beizubringen, die keine wirkliche Möglichkeit haben eine Zeitung in ihrer Sprache zu lesen oder einen Film in ihrer Sprache zu sehen.

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