
Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann: Friede und Kooperation im Kaukasus?
23. января 2021 0 Автор Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann
Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann
ist seit April 1995 Professor an der Universität Potsdam, WiSo-Fakultät, Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie, insb. Makroökonomische Theorie und Politik.
1. Zum Format der Verhandlungen
Zwei Monate nach dem Waffenstillstand blühen in Aserbaidschan die Hoffnungen und Erwartungen auf einen „ewigen“ Frieden im Südkaukasus.
Der Krieg hat die völkerrechtlichen Grenzen quasi zurückbewegt auf jene, die zum Zeitpunkt der Stunde null bzw. zum Ende der UdSSR bestanden. Viele betrachten das Ergebnis des Krieges als eine Art von finaler Lösung, die jetzt „nur noch“ in Detail politisch ausgehandelt und institutionalisiert werden muß.
Eine Diskussion über die Plattform bzw. das Format der Verhandlungen, d.h. über die Verhandlungsteilnehmer erfolgt bereits. Unstrittig dürften die Teilnahme von Aserbaidschan und Armenien sowie der Russ. Föderation sein – also ein Format 2 + 1.
Aufgrund der Fakten und besonderen Bedeutung für die Großregion dürfte die Türkei ein weiterer Teilnehmer sein, so dass sich das Format auf 2 + 2 erweitert. Dabei liegt eine der vorbereitenden Aktivitäten (im 2 + 1 Format) darin, dass Armenien der Teilnahme der Türkei zustimmt – gegebenenfalls unter Bedingungen, wie der Öffnung der Grenzen zwischen Armenien und der Türkei. Darüber wird aber ebenso wie über die Beendigung der aserbaidschanischen Politik der Isolation Armeniens bereits als Teil des Friedensvertrages eine Einigung relativ schnell möglich sein.
Die Chance für einen umfassenden Friedensvertrag für die Region ist jetzt größer als je, denn zuvor scheiterte jede diesbezügliche Initiative an der aserbaidschanischen Vorbedingung: Die Freigabe bzw. Räumung aller besetzten Gebiete durch Armenien. Armenien hatte es stets abgelehnt und damit alle Initiativen zum Scheitern gebracht. Offen ist jetzt allerdings, ob Armenien die Übergabe dieser Gebiete an Aserbaidschan mittel- bis langfristig akzeptiert oder ob es versuchen wird, sie mit militärischer Gewalt wieder zu erobern. Entscheidend dafür werden sein erstens: Entwicklungen in der Gesellschaft aller Armenier (siehe 3.) und zweitens: die Vorteile und Gewinne, die sie aus einem Friedensvertrag mit den jetzigen Grenzen erwarten.