Gespräch mit Heiko Langner – Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag
5. июля 2015 1 Автор Asif MasimovIm Rahmen des Talk&Cay Projekts war am 10. Juli 2015 Heiko Langner zu Gast beim ASN-Büro in Berlin. Der Berliner Politikwissenschaftler beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Südkaukasusregion. 2009 ist beim Berliner Köster-Verlag sein Buch „Krisenzone Südkaukasus. Berg Karabach, Abchasien und Südossetien im Spannungsfeld von Identität, Völkerrecht und geopolitischen Interessen“ erschienen. Außerdem arbeitet er hauptberuflich als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Bundestagsabgeordneten der LINKEN, Katrin Kunert. Auf der Veranstaltung wurde über unterschiedliche Themen in Bezug auf Aserbaidschan sowie über den Berg-Karabach-Konflikt mit Armenien gesprochen..
Zunächst hat Heiko Langner einige Fragen zu den jüngsten Europaspielen in Baku beantwortet. Seiner Ansicht nach waren die Spiele für ein junges unabhängiges Land wie Aserbaidschan ein „Türöffner“ in die Weltöffentlichkeit, so dass es die Möglichkeit nutzen konnte , kulturelle und touristische Einblicke in die Gesellschaft des Landes zu präsentieren. Die entscheidende Frage sei , so Langner, wie nachhaltig das Ganze nun fortgesetzt würde.. Sportliche Großveranstaltungen könnten das generelle Interesse in der Bevölkerung für sportliche Aktivitäten erhöhen. . Es sollte eine stärkere staatliche Förderung des Breitensports geben, damit könnte Aserbaidschan bei künftigen Wettkämpfen in noch mehr Sportarten erfolgreich sein. Damit wäre gleichzeitig auch ein geeignetes Nachnutzungskonzept für die bereits gebauten Sportstätten gefunden.. Nur dann würde es sich langfristig lohnen solche kostspieligen sportlichen Megaevents durchzuführen.
Die kritischen Stimmen in den deutschen Medien zu den Europaspielen fand Heiko Langner zum Teil zu pauschal und unglaubwürdig. . Wenn die Menschenrechtslage das ausschlaggebende oder alleinige Kriterium sein soll, dürften zum Beispiel auch die USA ab sofort keine sportlichen Großveranstaltungen mehr durchführen, weil in etlichen Bundesstaaten immer noch die unmenschliche Todesstrafe vollstreckt wird. Es müssten Vergabekriterien entwickelt werden, die einerseits menschenrechtliche Mindeststandards fixierten, aber andererseits auch keine unerfüllbaren Hürden setzten. Anderenfalls kämen nur noch wenige Länder in Frage, die sportliche Großereignisse ausrichten dürften. Damit wäre niemandem geholfen. Sport solle die Menschen zusammenbringen, woraus auch Impulse für gesellschaftliche Fortschritte erwachsen könnten. Es sei dagegen nicht hilfreich, den Sport für politische Auseinandersetzungen zu instrumentalisieren. Der Sport sollte nicht „politisiert“ werden, seine Aufgabe sei die in der olympischen Idee verankerte Völkerverständigung. Über die Eignung eines Austragungslandes müsste daher vor einer endgültigen Vergabeentscheidung diskutiert werden und nicht erst im Nachhinein.
Des Weiteren ist er auch auf die deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen eingegangen. Die Beziehungen beider Länder seien trotz der jüngsten Meinungsverschiedenheiten beim Thema Menschenrechte in ökonomischer und politischer Hinsicht stabil. Deutschland versuche unabhängiger von Russland zu werden, indem es z.B. noch mehr Erdöl und Erdgas aus Aserbaidschan kaufen wolle. . Jedoch sei es ein illusorischer Glaube, dass Deutschland energiepolitisch völlig unabhängig von Russland werden könne..
Schließlich kam es zur allerwichtigsten Frage: Wie könnte der Berg-Karabach-Konflikt langfristig gelöst werden? Dazu traf Heiko Langner folgende Aussagen :
Der Konflikt sei schwierig zu lösen, unmöglich wäre dies jedoch nicht.
Es würde ein langer Prozess sein: Beide Staaten müssten die Annäherung zwischen beiden Völkern herbeiführen.
Hierfür müssten die gegenseitigen Feindbilder in den Köpfen der Menschen abgebaut werden. Der Politik und den Medien käme hierbei eine wichtige Rolle zu. Darüber hinaus könnte eine gemeinsame Historikerkommission beider Länder das Kriegsgeschehen nachträglich für alle nachvollziehbar öffentlichkeitswirksam aufarbeiten.
Armenien sollte den aserbaidschanischen Binnenvertriebenen umgehend humanitäre Erleichterungen gewähren, damit diese zum Beispiel die früheren Wohnorte und Gräber der Vorfahren aufsuchen könnten.
Die aserbaidschanischen Binnenvertriebenen besäßen grundsätzlich ein uneingeschränktes Rückkehrrecht. Armenien sollte deshalb so schnell wie möglich seine militärische Besatzungspolitik aufgeben und die sieben besetzten Gebiete um Berg-Karabach an Aserbaidschan zurückgeben, die vor dem Krieg von der aserbaidschanischen Bevölkerung besiedelt waren. Dann wäre der Großteil des gegenwärtigen Konfliktstaus aufgelöst. Im Gegenzug hierfür müsste die armenische Bevölkerung in Berg-Karabach umfassende Sicherheitsgarantien von Aserbaidschan bekommen, deren Einhaltung von der OSZE überwacht werden könnte.
Über den endgültigen politischen Status von Berg-Karabach sollten BEIDE Bevölkerungsgruppen nach einer mehrjährigen Übergangsphase in einem demokratischen Referendum abstimmen. Heiko Langner favorisiert persönlich eine finale Konfliktlösung, bei der die territoriale Integrität Aserbaidschans vollständig wiederhergestellt wird, während die armenische Bevölkerung umfassende Selbstverwaltungsmöglichkeiten und demokratische Mitspracherechte im Rahmen einer stärkeren Föderalisierung Aserbaidschans erhalten sollte. Davon würde in wirtschaftlicher Hinsicht übrigens sogar Armenien am meisten profitieren, weil sich damit seine Isolierung in der Region überwinden ließe und normale Handelsbeziehungen mit den Nachbarn möglich wären. Er sei grundsätzlich gegen nationalistische Kleinstaaterei, da es im 21. Jahrhundert nicht mehr darum gehen dürfe, zwischen den Menschen neue künstliche Grenzen zu errichten, sondern bestehende Grenzen vielmehr abzubauen. Es seien aber prinzipiell auch andere Lösungen denkbar, wie zum Beispiel gegenseitige Gebietsaustauscheit einvernehmlicher Festlegung von neuen zwischenstaatlichen Grenzen oder die nachträgliche Legalisierung der Unabhängigkeit Berg-Karabachs nach der Rückgabe der sieben umliegenden Bezirke an Aserbaidschan. Die Lösung hänge entscheidend davon ab, ob ihr die Perspektive eines erneuten gemeinsamen Zusammenlebens oder die dauerhafte Trennung beider Bevölkerungsgruppen zugrunde liegen soll. Ersterem entspräche die Wiederherstellung der territorialen Integrität, letzterem die Definierung von neuen Staatsgrenzen oder die Schaffung eines eigenen Staates „Berg-Karabach“. Hierüber müssten sich die Konfliktparteien vorab in einem längeren Übergangsprozess untereinander verständigen und dies am Ende in einem rechtlich bindenden Referendum unter internationaler Aufsicht entscheiden. Heiko Langner betonte, dass letztlich jede Lösung, auf die sich BEIDE Seiten einigen, akzeptiert werden müsse. Das Problem müsse zwischen beiden Bevölkerungsgruppen und von ihnen selbst geklärt werden, nur dann könne es einen stabilen Frieden geben.
Am Ende des Gesprächs haben sich die Beteiligten für das informative Treffen bei Heiko Langner bedankt. Das ASN-Team hat ihm ein Geschenkpaket über Aserbaidschan überreicht, u.a. ein Buch über das alte Schuscha.
In Zukunft werden weiterhin verschiedene Persönlichkeiten aus Politik und Kultur in einer gemütlichen und freundlichen Atmosphäre bei uns zu Gast sein.
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