Wie die OSZE einen Krieg in der Kaukasus-Region ausbrechen ließ

By Asif Masimov Ноя 24, 2020
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Asif Masimov

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Politikwissenschaftler

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Dieser Beitrag erschien zuerst bei The European

Titelbild: OSCE Permanent Council venue at the Hofburg, Vienna. © Kaihsu Tai 

„Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“

Carl von Clausewitz

Die Geschichte ist Zeuge vieler gewalttätiger Aktionen, in denen sich immer wieder Menschen bekriegten. So gab es im Laufe der Zeit endlos viele bewaffnete Konflikte. Die moderne Weltordnung sollte jedoch unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen (VN) als Weltorganisation zivil geregelt werden. Andauernde inner- und zwischenstaatliche Konflikte, Probleme in den Bereichen Armut und Umwelt sowie auch der Anstieg von Terrorismus signalisieren hingegen die Unfähigkeit der VN bzw. einiger weiterer regionaler Sicherheitsorganisationen. Sicherlich sind viele Staaten und Organisationen daran interessiert, dass eine Stabilität und Sicherheit in den Konfliktherden gewährleistet wird. Dennoch verlieren immer wieder diejenigen Staaten, die von Individuen regiert werden, die Kontrolle über ihr Handeln, wobei kontinuierlich Vorschriften des Weltsystems gebrochen werden.

Komplexität der kaukasischen Region

Die Sicherheitsarchitektur der kaukasischen Region ist nach der Auflösung der Sowjetunion durch verschiedene innere und äußere Einflussfaktoren brüchiger geworden. Allein im letzten Vierteljahrhundert war die Sicherheit dieser Region durch zahlreiche interstaatliche sowie zwischenstaatliche Konfrontationen gefährdet. Während der Konflikt zwischen Russland und Tschetschenien gelöst wurde und der Streit zwischen Russland und Georgien eingefroren blieb, war die Auseinandersetzung zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach durchgehend schwellend, was im Endeffekt zum aktuellen Krieg führte. Das aktuelle Gefecht zwischen Armenien und Aserbaidschan wird nun als zweiter Bergkarabach-Krieg bezeichnet. Während des ersten Krieges verlor Aserbaidschan nicht nur seine Kontrolle über die Region Bergkarabach, sondern auch die umliegenden Gebiete, die sogar insgesamt eine mehr als zweimal größere Fläche als das Gebiet Bergkarabach ausmachen. In den 90er Jahren herrschte in den neugegründeten postsowjetischen Staaten Aserbaidschan und Armenien eine humanitäre Katastrophe. Während ca. 350.000 Armenier Aserbaidschan verlassen sollten, verzeichnete Aserbaidschan nur aus dem eigenen Territorium ca. 700.000 Binnenvertriebene und 250.000 Flüchtlinge aus Armenien.

Passives Eingreifen der VN

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Drei von fünf Mitgliedern des VN-Sicherheitsrats spielen eine wesentliche Rolle bei diesem Konflikt. Es handelt sich dabei um Russland, Frankreich und die USA, die gleichzeitig Ko-Vorsitzende der OSZE-Minsk-Gruppe sind.

Seit Beginn des Konflikts konnten die VN nicht sofort auf dieses Problem reagieren, denn Aserbaidschan und Armenien sind erst im Jahre 1991 unabhängig geworden und waren dementsprechend noch keine Mitglieder dieser Organisation, obwohl der Krieg schon seine Eskalation erreicht hatte. Erst nach der Aufnahme der beiden Staaten in die Liste der Mitglieder kam das Ersuchen der VN, welches eine sofortige Einstellung des Kriegszustandes und daraus resultierend den Frieden in der Region forderte. Vier Resolutionen (1993) seitens der VN sind dabei von besonderer Relevanz: 822, 853, 874 und 884. In diesen Vereinbarungen erkennt die VN die territoriale Integrität von Aserbaidschan an und stellt gleichzeitig die militärischen Aktionen der Armenier als Aggressionshandlung heraus. Die VN ist nach der Erteilung der o. g. vier Resolutionen passiver geworden, weil sie die Verantwortung für die Lösung des Konflikts auf eine andere Sicherheitsorganisation, die OSZE, schieben konnte. Mögliche Druckmechanismen zur Verhängung von wirtschaftlichen und politischen Sanktionen oder eine Stationierung von Friedenstruppen in der Region wurden seitens der VN aber nicht einmal diskutiert. 

Die Scheinverhandlungen im Rahmen der OSZE

Während der Intensivierung des benannten Konfliktes bekundete die OSZE bereits ihr Interesse. Schon während eines Treffens in Prag am 31. Januar 1992 beschloss die OSZE ihren Eingriff in den Bergkarabach-Konflikt. Dort wurde als Konsequenz beschlossen, eine Mission der OSZE in die Kriegsregion zu schicken. Die Berichterstattermissionen der OSZE wurden schon im März 1992 nach Bergkarabach ausgesendet, was ebenfalls durch den Beschluss der Konferenz in Minsk angetrieben wurde.

Auf dem Helsinki-Treffen des OSZE-Rates wurde entschieden, dass sich dafür eine ständige Konferenz in Form eines Verhandlungsforums über Bergkarabach in der belarussischen Hauptstadt Minsk versammeln sollte. Entsprechend der Entscheidung des Gipfeltreffens in Budapest im Jahre 1994 wurde das Institut der Ko-Vorsitzenden der Minsker Konferenz geschaffen.

Darüber hinaus wurde der OSZE während dieses Treffens ein Mandat erteilt (1994) und es wurde gleichzeitig auf die besondere Rolle von Russland bei der Lösung dieses Konflikts hingewiesen. Zusätzlich wurde noch ein weiteres Mandat an die OSZE vergeben, um die Bildung einer friedenserhaltenden Maßnahme in Bergkarabach zu initiieren. Die Streittruppen sollten 3.000 Männer stark sein, wobei von jedem Land nicht mehr als 30 % der gesamten Truppen eingesetzt werden sollten. Der Einsatz der Friedensmission könnte durch eine Genehmigung der VN und nach der Lösung des politischen Konflikts verwirklicht werden. Der geplante Einsatz der Friedenstruppen scheint jedoch nicht umsetzbar, da die OSZE bis heute keine Erfahrung mit dieser Friedensmission hat: Bergkarabach sollte lediglich ein erster Versuch sein. Als Beispiel einer politischen Konfrontation kann das Gipfeltreffen in Lissabon benannt werden. Während einer Abstimmung von insgesamt 54 Teilnehmerstaaten für die territoriale Integrität Armeniens und Aserbaidschans, die Selbstverwaltung Bergkarabachs im Verband Aserbaidschans und die Gewährleistung der Sicherheit seiner Bevölkerung war das vorliegende Dokument mit einer einzigen Gegenstimme aus den Reihen Armeniens zum Scheitern verurteilt.

Ende der 90er Jahre hatten die Konfliktparteien bereits einen Durchbruch bezüglich der Rückgabe der umliegenden Provinzen um Bergkarabach an Aserbaidschan erreicht. Der erste Präsident Armeniens, Lewon Ter-Petrosjan, wollte damals aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation Armeniens einige Gebiete an Aserbaidschan zurückgeben. Dies scheiterte jedoch, weil der damalige Ministerpräsident Armeniens, Robert Kotscharjan, zusammen mit weiteren Ministern eine Verschwörung gegen Ter-Petrosjan organisierte.

Als ein Wendepunkt im Lösungsprozess um diesen Konflikt kann die Erklärung der Präsidenten der Ko-Vorsitzstaaten in der italienischen Stadt L’Aquila vom 10. Juli 2009 gesehen werden, welche sich auf die „Basic Principles“ des Madrid-Treffens der Außenminister von Armenien und Aserbaidschan von 2007 bezieht. Diese Erklärung beinhaltete viele wichtige Punkte, darunter auch die Rückgabe der umliegenden sieben Provinzen unter aserbaidschanische Kontrolle, die Vergabe eines Interim-Status für Bergkarabach einschließlich entsprechender Sicherheitsgarantien und Selbstregierung, die Bestimmung des Rechtsstatus von Bergkarabach und die Gewährleistung des Rückzugs der Binnenvertriebenen sowie Flüchtlinge in ihre früheren Wohnorte.

Dennoch behielten die Madrider-Prinzipien lediglich auf dem Papier ihre Bedeutung. Die OSZE beschränkte sich auf eine Beobachtermission bzw. die Empfehlung zur Minimierung der Eskalation an der Frontlinie.

Baku wies bereits mehrfach sowohl Eriwan als auch die Weltgemeinschaft auf die Passivität der OSZE im Verhandlungsprozess hin und warnte davor, dass die Verhandlungen dadurch endlos geführt werden würden. Eine erste Reaktion auf dieses Vorgehen war 2016 während der April-Kämpfe zu erkennen. Leider hat damals die OSZE in Bezug auf die Eskalation keine Bilanz gezogen und unterbreitete nur weiterhin Empfehlungen zur Deeskalation. Inzwischen ist Andrzej Kasprzyk, der OSZE-Sondergesandte für diesen Konflikt, ein Stammgast in der Region geworden, der zwischen Baku, Eriwan und Stepanakert zwar mehrere Dienstreisen unternahm, aber mittlerweile als unseriöser Vertreter wahrgenommen wird.

Die aktuellen Verhandlungen blieben im Rahmen dieser Madrider Prinzipien, die letztendlich nicht umgesetzt wurden. Der Präsident Aserbaidschans, Ilham Aliyev, hat in seinen jüngsten Interviews mehrfach betont, dass Aserbaidschan durch seine Militäroperation lediglich die angenommenen UN-Resolutionen implementiert. Die Madrider Prinzipien haben bereits ihre Aktualität verloren, da sich der Status quo geändert hat. Die aserbaidschanische Seite erklärte sich dennoch bereit, weiterhin an den Verhandlungen teilzunehmen, um den Status von Bergkarabach zu besprechen, während Armenien immer noch versucht, den Status quo, der vor dem 27. September 2020 herrschte, wiederherzustellen.

Als schwächsten Punkt dieser Organisation lässt sich herausstellen, dass die OSZE über keine Einsatztruppen verfügt und sich nur auf Empfehlungen der streitenden Parteien beschränkt. Darüber hinaus verharren die drei Ko-Vorsitzenden dieser Organisation (Russland, Frankreich, USA) im Bergkarabach-Konflikt seit 1997 ständig in derselben Position. Zusätzlich fällt auf, dass diese Staaten im Rahmen der OSZE-Minsk-Gruppe immer neutral bleiben, sich die Ansichten in Bezug auf die Konfliktparteien aber immer wieder ändern. Oftmals wird betont, dass sie die territoriale Ganzheit von Aserbaidschan und Armenien anerkennen. Wenn es jedoch um die jeweilige Politik geht, dann erklären die Mächte eine ganz andere Position, wie im Falle der Abstimmung in der Generalversammlung der VN von 2008 über die territoriale Ganzheit Aserbaidschans, als sich diese drei Staaten auf einmal strikt „dagegen“ aussprachen.

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