Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach

By Asif Masimov Май 12, 2016
Print Friendly, PDF & Email

Foto: Wikipedia

Реклама

Asif Masimov

Im Hintergrund dieses Konfliktes ist die ethnische und nationalistische Politik der Sowjetunion nachvollziehbar, da eine Nation gegenüber einer anderen bevorzugt wurde. Im Dezember 1920 entschied das Komitee des sowjetischen Aserbaidschan unter dem Druck der Sowjetunion, Karabach, Sangesur und Nachitschewan an Armenien anzugliedern. Nach dem Protest des damaligen aserbaidschanischen Chefs Narimanov wurde aber nur Sangesur an Armenien abgegeben.1

Es soll hier gleichzeitig erwähnt werden, dass diese drei Gebiete auch Bestandteil der ersten unabhängigen Aserbaidschanischen Republik2 im Zeitraum 1918 bis 1920 waren.3

Bezugnehmend auf diesen Konflikt verbreitete sich in armenischen akademischen Kreisen oft die Meinung, dass im Kaukasus seit jeher ein armenischer Staat existierte und die Aserbaidschaner erst viel später Anspruch auf dieses Gebiet hegten. Eine solche historische Herangehensweise zwang aserbaidschanische Politiker dazu in diesem Fall ebenfalls auf historische Fakten zu verweisen, indem sie die Bevölkerung darüber aufklärten, dass selbst die Armenier bei der Unterstützung des Russischen Reiches mehrmals auf diese Gebiete aus anderen Ländern (Iran, Türkei) umgesiedelt worden sind.4 Außerdem wird der Namensstamm dieses Gebiets (Karabach) weitläufig diskutiert. Von Cornell wird folgende aufschlussreiche Erläuterung gegeben:

(…) Karabakh is actually an amalgation of Turkish and Persian. ‚Kara‘ means Black in Turkish, and ‚bağ‘ means garden in Persian as well as vine in Turkish. The contemporary ending ‚bakh‘ stems from the russification of the word ‚bağ’, the word ‘Nagorno’ (Berg) simply means mountations in Russian. Thus in the name of the region, three different launguages can be found, in fact the languages of the three powers that have dominated the history of the region. (…)”5

Man kann mit Sicherheit sagen, dass eine solche wissenschaftliche Herangehensweise an diesen Konflikt nicht nur als militär-politisch und ethnisch, sondern auch als geschichtlich relevant einzustufen ist.

Der gegenwärtige armenisch-aserbaidschanische Konflikt nahm im Februar 1988 seinen Anfang, als bei einem Zusammentreffen des regionalen Rates von AOB6 (Autonome Oblast Berg-Karabach) die Entscheidung über den Austritt aus dem aserbaidschanisch-russischen Bündnis und gleichzeitig über den Beitritt zu Armenien getroffen wurde. Der faktische Beginn des Antagonismus ist jedoch einige Monate früher zu finden, als Aufruhre von armenischer Seite in Armenien und Berg-Karabach laut wurden.7 Streitsubjekt zwischen Armenien und Aserbaidschan ist das Berg-Karabach-Gebiet, welches ein Territorium von ca. 4400 km² Fläche umfasst. Berg-Karabach hatte zudem seit 1923 einen Autonomiestatus innerhalb der Aserbaidschanischen Sozialistischen Republik.8

Реклама

Laut der letzten sowjetischen Volkszählung waren im AOB 189.000 Menschen gemeldet, darunter 145.000 Armenier (oder 77% der Bevölkerung) und 41.000 Aserbaidschaner (22% der Bevölkerung).9

Am 14. Februar (1988) begannen in Stepanakert (aserb. Xankendi)10 die ersten Demonstrationen von armenischer Seite und schon am 18. September traf in Baku die neue Welle der Flüchtling-Aserbaidschaner aus Berg-Karabach (hauptsächlich aus Stepanakert) ein, obwohl die ersten Flüchtlinge aus Armenien bereits einige Monate früher ankamen. Am 22. Februar gab es obendrein die ersten Opfer: im Raum um Agdam kam es zu einem Zusammenstoß zwischen armenischer und aserbaidschanischer Seite, in welchem zwei Aserbaidschaner ums Leben kamen. Dies führte ebenfalls zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in Sumgait11, wo Aserbaidschaner (überwiegend Vertriebene aus Armenien) gegen Armenier brutal vorgingen.12 Es erscheint zudem von Interesse, dass eine Reaktion aus Moskau auf diese Geschehen innerhalb der Gesellschaft dieser Länder sehr spät kam. Darüber hinaus wurde der Kreml auch fehlinformiert, so als ob nichts dergleichen passiert wäre.

Laut einer offiziellen Stellungnahme von Grigorie Charchenko aus Moskau zu den Ereignissen in Baku heißt es: „Gorbachev is absolutely incorrect when he says, that we were there three hours late. Nothing of the sort. We were late by a day. Because we waited a whole day for the decision to be taken to send the troops in there.“13

Es war schon zu spät um den eskalierten Konflikt noch in irgendeiner Form zu stoppen. Darüber hinaus war die damalige sowjetische Regierung nicht dazu in der Lage die Situation in den Regionen noch zu kontrollieren, weil zwischenzeitlich ebenfalls Auseinandersetzungen mit politischen Hintergründen in anderen Republiken der Union hervorgegangen waren. Die Ereignisse in Armenien und Aserbaidschan führten zu weiteren Pogromen und Auseinandersetzungen auf beiden Seiten, während welcher unzählige Menschen ums Leben kamen und die Zahl der Flüchtlinge dramatisch anstieg.14

Aserbaidschan und Armenien erlangten ihre Unabhängigkeit im Herbst 1991. Der Konflikt zwischen beiden Ethnien nach der Auflösung der Sowjetunion nahm nun schon den Status des zwischenstaatlichen und internationalen Konflikts ein.

Kurz vor der Auflösung15 der Sowjetunion versuchte der Kreml die Ausgangssituation dieses Problem zu lösen. Im September wurde nach Initiative der kasachischen (Nursultan Nasarbaev) und russischen (Boris Jelzin) Regierungschefs in der russischen Stadt Schelesnowodsk ein Treffen initiiert, in welchem der armenischen und aserbaidschanischen Seite ein Vertrag unter der Vermittlung Russlands und Kasachstans über den Beginn der Friedensverhandlungen zur Unterschrift vorgelegt.16

Nach der Genehmigung dieses Vertrages sollten die Verhandlungen weitergeführt werden. Schon bald nach der Unterzeichnung des Dekrets wurde eine weitere Vereinbarung zwischen den Konfliktparteien unterschrieben. Zusätzlich sollte am 20. November eine Friedensdelegation mit dem Helikopter nach Stepanakert geschickt werden. Tragischerweise wurde jedoch der Helikopter MI-8, in welchem sich eine Beobachtermission aus Russland und Kasachstan und Beamte aus Aserbaidschan befanden, von armenischer Seite abgeschossen.17

Dieses Attentat lies selbstverständlich die geplanten Verhandlungen abbrechen und die armenische Seite begann alsbald mit militärischen Handlungen. Der im Herbst 1991 von armenischer Seite begonnene Krieg hatte vor allem die folgende nennenswerte Konsequenz: innerhalb von 6-7 Monaten wurden alle Aserbaidschaner und Kurden aus Berg-Karabach, sowie dem angrenzenden Gebiet Latchin ins inneraserbaidschanische Kernland vertrieben.18

Es wurde schon bewiesen, dass auf armenischer Seite auch russische Truppen gegen Aserbaidschan Krieg geführt haben. Während der Krieg seinen Höhenpunkt erreicht hatte, gingen armenische Truppen mithilfe des 366. russischen Motorschützenregiments19 gegen die zivile Bevölkerung in der aserbaidschanischen Stadt Chodschali auf brutalste Art und Weise vor und verletzten dabei auch die Menschenrechte gravierend.20 21

Der Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan dauerte von 1991 bis 1994 an. Infolge dieses Konfliktes wurden sieben an Aserbaidschan angrenzende Bezirke und der Berg-Karabach vom armenischen Militär besetzt (insgesamt 20% des aserbaidschanischen Territoriums).

Die Anzahl der Opfer innerhalb dieses Krieges ist je nach Quelle unterschiedlich. Laut des amerikanischen State Departments kamen 25.000 Menschen ums Leben. Die Politiker der streitenden Parteien nennen eine weitaus höhere Zahl. Aserbaidschanische Quellen schätzen die Summe auf ca. 17.000-20.000 Betroffene während des Krieges nur von aserbaidschanischer Seite.22

Heiko Langer schreibt in seinem Buch „Krisenzone Südkaukasus“ über 5.000-7.000 Opfer auf armenischer Seite. 23

Der Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan dauerte bis 1994 und wurde mit dem in Bischkek unterschriebenen Protokoll beendet. Der dazugehörige Vertrag wurde am 5. Mai 1994 auf Initiative der Interparlamentarischen Versammlung von der GUS, vom Parlament der kirgisischen Republik, der Föderalen Versammlung und vom Außenministerium der Russischen Föderation geschlossen.24 Der Konflikt ist bis heute ungelöst und ist als „eingefrorener Konflikt“ einzustufen.

1Vgl. Langner, Heiko (2009): a.a.O. S..8.

2Die Aserbaidschanische Demokratische Republik existierte nur zwei Jahre (1918-1920) und war die erste demokratische Republik in der muslimischen Welt. Außerdem erlangten Armenien und Georgien ihre Unabhängigkeit (1918-1920).

3Vgl. ebd. S. 14.

4Vgl. ebd. S. 15-18.

5Cornell, Svante E (1999).: The Nagorno-Karabakh Conflict, Report no. 46, in: Department of East European Studies. Uppsala University, S. 3.

6Der autonome Oblast Berg-Karabach ist das zwischen 1923 und 1991 existierende autonome Gebiet SSR im Bestand von Aserbaidschan.

7Vgl. De Waal, Thomas (2003): a.a.O. S. 18.

8Vgl. Langner, Heiko (2009): a.a. O S.14.

9Im Internet: http://www.ca-c.org/journal/16-1998/st_10_junusov.shtml, zuletzt besucht am 16.01.2014.

10Stepanakert war Hauptstadt von Berg-Karabach, auf aserbaidschanischer Seite wird sie mit „Xankendi“ bezeichnet.

11Sumgaït ist eine Stadt in Aserbaidschan. Die armenische Seite betitelt diese Auseinandersetzungen auch als Pogrom und gibt dabei eine abweichende Zahl von Getöteten wieder (zwischen 30 und 40 Opfern, darunter auch Aserbaidschaner). Die aserbaidschanische Seite rechtfertigt diese Aktion als eine Reaktion auf die Vertreibung der Aserbaidschaner aus Armenien und stellt sie als Provokation von den in Sumgaït lebenden Armeniern dar, die KGB-Leute waren. Ferner konnte die Teilnahme der Armenier an diesen Auseinandersetzungen auf aserbaidschanischer Seite in Sumgaït nachgewiesen werden. Siehe auch vgl. De Waal Thomas (2003): Black Garden: Armenia and Azerbaijan Through Peace and War, New York: New York University Press, S. 42-43.

12Vgl. Souleimanov, Emi (2004)l: Der Konflikt um Berg-Karabach, in: OSZE-Jahrbuch 2004: Jahrbuch zur Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Baden-Baden: Nomos, S. 6.

13Vgl. De Waal, Thomas (2003): a.a.O. S. 37.

14Laut der Statistik flohen aus Aserbaidschan während des Konflikts 353 000 Armenier nach Armenien und Russland. Die Gesamtzahl der aserbaidschanischen Flüchtlinge lässt sich auf 750 000 schätzen, ([selbs. Red.] Die aserbaidschanische Seite schätzt die Zahl der Flüchtlinge aber auf 1 Mln.). (Vgl. Ebd. S. 285).

15Die Sowjetunion wurde am 26. Dezember 1991 aufgelöst.

16Vgl. Junusov, Arif: Karabach (2005): Vergangenheit und Gegenwart, Baku: Turan, S. 35-36. (Eigene Übersetzung in: Юнусов, Ариф (2005): Карабах: Прошлое и Сегодня, Баку: Туран.).

17Vgl. Baschlinskaya, Aydan (2010): a.a.O. S. 29.

18Vgl. Junusov, Arif: Karabach (2005): a.a.O. S. 35-36.

19Im Jahre 1988 stationierte in Stepanakert die 366. Motorschützendivision von Russland, welche der armenischen Seite seit Beginn des Konflikts half. Auf der anderen Seite gab es die 23. Division von Russland in Aserbaidschan, welche ebenfalls mit der aserbaidschanischen Seite kooperierte. Diese Divisionen blieben von der sowjetischen Armee nach der Auflösung der Sowjetunion in den unabhängigen Staaten. (Vgl. De Waal, Thomas (2005): Black Garden: Armenia and Azerbaijan Through Peace and War, New York: New York University Press, S. 166-167).

20Vgl. Langner, Heiko (2009): a.a.O. S.19.

21Die aserbaidschanische Seite nennt diese Aktion den Genozid von Chodschali, in welchem 613 zivile Personen, darunter 63 Kleinkinder und 106 Frauen, ums Leben kamen. An dieser Tragödie nahmen die 366. Motorschützendivision Russlands (20 Panzer, 34 Schützenpanzerwagen und 29 PDM) und armenische Truppen teil. (Vgl. Baschlinskaya, Aydan (2010): Die völkerrechtliche Bewertung des militärischen Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach, Das Krisenmanagement durch die Vereinte Nationen, die Europäische Union und die OSZE, Baden-Baden: Nomos, S. 30).

22Vgl. De Waal, Thomas (2003) a.a.O. S. 284.

23Vgl. Langner, Heiko (2009): a.a.O. S.21.

24Original Russian and English translations of the Bishkek Protocol (May 5, 1994) and Armenia-Azerbaijan Ceasefire Agreement (May, 9-11, 1994), unter: http://www.usazeris.org/ArmeniaAzerbaijanCeasefireAgreementBishkekProtocol1994.pdf, zuletzt besucht am 13.12.2013.

Реклама

Оставить комментарий