Bergkarabachkonflikt: Warum es keine Republik Arzach gibt

By Asif Masimov Дек 15, 2020
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Asif Masimov

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Am 10. Dezember 2020 hielt Aserbaidschan eine Militärparade in Baku ab, an der auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan teilnahm. Gewidmet war die Parade dem Sieg Aserbaidschans über Armenien nach dem zweiten Bergkarabach-Krieg. Genau vor 29 Jahren fand in Bergkarabach ein völkerrechtswidriges Referendum seitens der armenischen Separatisten statt. Warum es völkerrechtswidrig war und warum kein einziges Land diese Entität anerkannt hat, wird in diesem Beitrag ausgelegt.

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In der Perzeption der deutschen Medien zum Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach fällt immer wieder die Verwendung der Formulierung „die Republik Bergkarabach“ oder „Republik Arzach“ ins Auge.

Die letzte Verfassung der UdSSR und Autonome Oblast Bergkarabach

Die Armenier beziehen sich in ihrem Narrativ zur Zugehörigkeit der Region Bergkarabach sehr oft auf die letzte Verfassung der Sowjetunion, die, nach ihren Behauptungen, den Austritt Bergkarabachs aus Aserbaidschan rechtlich möglich machte. 1977 wurde die letzte Verfassung der Sowjetunion mit ihren Änderungen angenommen. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Artikel 72, 78 und 86 relevant, die unmittelbar Bergkarabach betreffen könnten. Laut Artikel 72 durften sich nur die Unionsrepubliken von der Sowjetunion abspalten. Bergkarabach galt damals aber als ein autonomes Gebiet. Artikel 78 bekräftigt, dass die territoriale Abänderung bzw. Umformung der Unionsrepubliken, ohne deren Zustimmung, nicht stattfinden durfte. Artikel 86 bestätigt wiederum, dass sich das autonome Gebiet innerhalb der Unionsrepublik oder des Krajs befindet.

Im Jahr 1991 erlangten Armenien und Aserbaidschan noch vor der Auflösung der UdSSR die Unabhängigkeit. Am 2. September 1991 wurde jedoch völkerrechtswidrig die Souveränität Bergkarabachs erklärt, denn die Verfassung der UdSSR sah dies nicht vor. Nach der Unabhängigkeit Aserbaidschans am 18. Oktober 1991 könnte Bergkarabach theoretisch eine Volksabstimmung zum Austritt aus Aserbaidschan durchführen, wenn die folgenden Faktoren berücksichtigt werden würden

1. Einverständnis mit der Zentralregierung (Baku); 2. Transparenz der Volksabstimmung: — Teilnahme armenischer und aserbaidschanischer Gemeinden an der Abstimmung; — Teilnahme internationaler Beobachter an der Volksabstimmung.

Die Bergkarabach-Armenier lehnten bislang aber jegliche Verhandlungen mit Baku ab. Als Paradebeispiel für eine armenische Reaktion kann der Abschuss eines Helikopters am 20. November 1991 erwähnt werden, der als „Tragödie von Garakänd“ in die Geschichte eingegangen ist.

Im September 1991 kam Boris Jelzin in Begleitung des Präsidenten von Kasachstan, Nursultan Nasarbajew, zu Verhandlungen nach Stepanakert. Daraufhin fanden Verhandlungen in der russischen Stadt Železnovodsk statt, wo die „Železnovodsk Erklärung“ zum Friedensabkommen unterzeichnet wurde. Dieser Plan wurde jedoch am 20. November 1991 seitens armenischer Separatisten untergraben, als sie einen aserbaidschanischen Hubschrauber der internationalen Delegation mit 22 Passagieren über der Martuni-Region (aser. Chodschavänd) im Süden von Bergkarabach abschossen. Das Parlament von Aserbaidschan reagierte am 23. November 1991 auf diese Aktion mit der Aufhebung des Autonomiestatus von Bergkarabach. Am 26. November 1991 wurde nach der Entscheidung des aserbaidschanischen Parlaments der Name der Stadt Stepanakert zu Chankändi abgeändert. In diesem Zeitraum verblieben in Stepanakert kaum noch Aserbaidschaner. Am 10. Dezember 1991 fand dennoch in Bergkarabach eine Volksabstimmung statt:

1. Trotz der Aufhebung des Autonomiestatus vom 23. November 1991 und ohne Einverständnis aus Baku;
2. An der Volksabstimmung nahmen keine Aserbaidschaner teil, denn sie wurden bereits vertrieben;
3. Es fehlten internationale Beobacher und somit war die Abtimmung nicht transparent.
Aus diesen Gründen kann diese Abstimmung nicht als Grundlage zur Abspaltung von Aserbaidschan gelten.

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Nach dem ersten Karabach-Krieg wurden die Verhandlungen im Rahmen der Minsker-Gruppe der OSZE durchgeführt. Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev betonte aber bei den jüngsten Interviews mehrfach, dass das Minsker-Format seine Aktualität verloren hat, da Aserbaidschan mittlerweile fast selbstständig die ersten zwei Etappen der Madrider Basisprinzipien etablieren konnte. Nun wird lediglich über den Status von Bergkarabach diskutiert.

Armenische Minderheit vs. aserbaidschanische Minderheit

In der Perzeption der deutschen Medien wird oft formuliert, dass in Bergkarabach mehrheitlich Armenier lebten. Es ist ein vollkommen normales Phänomen, dass innerhalb eines Landes eine Minderheit ein Territorium dicht besiedelt, was aber nicht automatisch heißt, dass diese das Recht zur Selbstbestimmung geltend macht und sich von einem anderen Staat abspaltet. In diesem Zusammenhang sollen den Armeniern Rechte als Minderheit zugesichert werden. Diese Aufforderung betrifft nicht nur Aserbaidschan, sondern auch andere Länder, u. a. Armenien selbst. Einst gab es in Armenien eine große aserbaidschanische Community. Bereits in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts begann jedoch die Vertreibung der Aserbaidschaner aus Armenien. Insgesamt sind ca. 250.000 Aserbaidschaner aus Armenien vertrieben worden. Die Aserbaidschaner lebten in den 80er-Jahren insbesondere im westlichen Teil der Provinz Gegharkunik (aser. Göytschä) am Ufer Sewansee und in der Provinz Sjunik (aser. Sangesur) relativ kompakt. Wird die o. g. Logik der Mehrheit einer Bevölkerung verfolgt, sollten nun auch die Aserbaidschaner eine Unabhängigkeit in den besiedelten Regionen ausrufen und separatistische Republiken schaffen können. Dass Ilham Aliyev oft die historische Angehörigkeit von Sangesur, Irävan und Göytschä zu Aserbaidschan betont, ist als Reaktion auf die territorialen Ansprüche Armeniens gegenüber Aserbaidschan einzuschätzen. Falls Armenien auch weiterhin auf die Unabhängigkeit Bergkarabachs besteht, wird Aserbaidschan die Idee der „Westaserbaidschanischen (Irävan) Republik“ unterstützen, die am 10. Mai 2020 in der Türkei von einem Professor ausgerufen wurde.

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